Nach Wochen der Abstinenz melde ich mich mit diesem Beitrag zurück in der Welt des Blog-Freitags. Diese Woche habe ich mir ein bisher recht stiefmütterlich behandeltes, aber nicht weniger wichtiges Thema ausgesucht. Die vergangenen Wochen und deren Ereignisse haben mich veranlasst, mich mit jenem Thema zu befassen. Und es betrifft euch alle. Jeden einzelnen von euch, der diesen Beitrag liest… außer Omi. Weil Omi klassischer Leser ist und die Papierform als einziges Medium akzeptiert, bekommt sie die Beiträge von mir ausgedruckt. An dieser Stelle also ein kurzer Gruß von mir an Omi! Ihr wundert euch jetzt vermutlich über diese explizite und vollkommen überflüssige Erwähnung meiner Großmutter. Doch genau diese personifizierte Repräsentanz einer Generation bringt mich zum Punkt. In dieser Woche geht es um den Tod und die Entwicklung von Erbgütern.
Die Geier kreisen schon.
Meinen ersten Karriereversuch startete ich in einem Kreditinstitut. Während meiner Ausbildung haben wir Erbfälle nur theoretisch behandelt. Theoretisch war das zwar ein unangenehmes Thema, aber doch relativ einleuchtend. Und dann kam die Praxis… Hier habe ich sie schonungslos alle kennengelernt – die Facetten von Trauer und Habgier. Plötzlich waren sie da. Enge Vertraute und die, die quasi aus dem Nichts aufgetaucht sind. Nicht selten haben sich Menschen in meinem Büro überhaupt erst kennengelernt. Der Tod bringt Menschen zusammen. Die Gründe hierfür sind jedoch höchst unterschiedlich. Nicht selten jedoch – und das musste ich mit Erschrecken feststellen – treibt die Gier die Erben aus nah und fern zusammen. Keiner oder nur wenige hatte Kontakt zum Verstorbenen und doch sind auch die Fremden der Meinung, ein Anrecht auf „ihr Erbe“ zu haben. Das erfordert nicht mal unbedingt ein großes Vermögen. Solange die Möglichkeit auch nur im Ansatz besteht, dass Etwas zu holen sei, mobilisieren sich Menschen aus allen sozialen Schichten. Natürlich ist es nicht die Regel. Aber es kommt öfter vor, als man denkt und auch in Familien, in denen man es nicht erwartet hätte.
Das Erbe und der Wandel der Zeit
Wenn ein wunderbarer Mensch aus unserem Leben verschwindet, dann ist das bereits furchtbar genug. Früher ließen sich die Habseligkeiten des Verstorbenen einfach auflösen. Es gab die privaten Besitztümer zuhause, bei der Bank oder Sparkasse des Vertrauens und ggf. das, was im Grundbuchamt noch vermerkt war. Es gab Erbstücke von finanziellem Wert und solche, die für Fremde wie Plunder wirken mögen, deren emotionaler Wert für Nahestehende jedoch als „unschätzbar“ eingestuft werden würde. Nichts davon nimmt der Verstorbene mit. Mit einem Schlag suchen all die Besitztümer ein neues Zuhause. Vieles landet auf dem Müll, anderes auf dem Dachboden und im Keller eines Angehörigen, einzelne Stücke werden als Erinnerung behalten und wieder anderes bekommt einen ganz neuen Besitzer. Bis dahin hat sich nicht viel verändert. Heute allerdings erben wir Beispielsweise nur noch selten Fotoalben – heute gibt es die externe Festplatte, USB-Sticks, SD-Karten, Smartphones, Tablets und lauter Kram, dessen Inhalt sich auf den ersten Blick nicht erkennen lässt. Vorbei sind die Zeiten, in denen uns Liebesbriefe unserer Vorfahren in die Hände fallen. All die schönen Erinnerungen werden digital festgehalten. Social Media als Landkarte unseres Lebens mit all seinen Höhen und Tiefen. Studi oder SchülerVZ als Geburtsstätte, Twitter als Altar, Facebook als Gedenkstätte. Was passiert eigentlich mit eurem Facebook-Account, wenn ihr nicht mehr seid? Was mit all euren Bildern, die online zur Verfügung stehen. Wer checkt eure Mails? Wer kümmert sich um die Kündigung eurer Online-Abos? Im Himmel gibt´s kein Internet (in der Hölle, im Paradis, im Jenseits oder sonstwo übrigens auch nicht). Teile unseres Erbe sind passwortgeschützt. Und nun? Erleichtern uns Passwörter auch das Leben, so erschweren sie es unserem Nachlassverwalter im Tode. Online-Konto: gut und schön. Was aber tun, wenn der Zugang durch die Anzeige des Todes gesperrt wurde? Kennt ihr die monatlichen Fix-Kosten eurer Angehörigen? Das wäre von Vorteil, wenn es Menschen wie ich sind, die Kontoauszüge als völlig überbewertet empfinden und ihr euch in eurer Trauer noch auf Spurensuche begeben müsst, um herauszufinden, was als nächstes zu tun oder zu kündigen ist. Ihr als Erben tretet übrigens in das bestehende Vertragsverhältnis von Online-Abos des Verstorbenen ein, ähnlich wie bei Miete. Das ist gut zu wissen, denn die Unkenntnis könnte euch Beispielsweise jeden Monat ein Paar Schuhe im Wert von 39,95 € kosten.
Die Liste
Wenn man dann erstmal verinnerlicht hat, dass sich nicht alle Besitztümer eines Verstorbenen anfassen lassen, wird es knifflig. Der vorausschauende Internetnutzer hat eine gute, alte Papierliste irgendwo rumliegen, auf der alle bestehenden Zugangsdaten vermerkt sind und dafür gesorgt, dass eine vertrauensvolle Person weiß, wo diese Liste liegt. Wer auf Nummer Sicher gehen will, hat diese Liste als Bestandteil des Testaments beim Notar hinterlegt. In unseren Zeiten ist es selbstverständlich auch möglich, jene Liste in ein gängiges Dateiformat zu bringen. Wie die Informationen angelegt sind, spielt an sich keine Rolle, solange eine weitere Person darüber Bescheid weiß.
Der Tod und die AGB´s
Ganz wichtig: die Zugangsdaten für euer Mail-Account. Warum? Der Erbe darf theoretisch nur auf bereits gelesene Mails zurückgreifen. Bei neuen Mails haftet der Provider auf Grundlage des Telekommunikationsgesetzes. Die gängigen Provider haben darum eine spannende Klausel in ihren AGB´s. Diese besagt, dass ein Account nicht übertragbar ist und alle Rechte und gespeicherten Inhalte bei Tod des Nutzers erlöschen. Die meisten Anbieter löschen generell alle Accounts bei Inaktivität über einen bestimmten Zeitraum.
Ca. 375.000 Facebook-Nutzer sterben aktuell pro Jahr – Tendenz steigend (nicht wegen mehr Todesfällen, sondern der Menge an Nutzern). Wenn sich keiner um das Profil kümmert, passiert erstmal nichts. Ob das nun gut ist oder nicht, entscheidet jeder für sich. Inzwischen hat Facebook in seinen Einstellungen auch die Möglichkeit eines Nachlassverwalters für das Profil eingebaut. So kann sich mit der Anzeige des Todes ein anderer um die Formalitäten kümmern – auch wenn es sich hierbei nicht um einen tatsächlichen Erben handelt. Ich denke, ich fände es ganz gut, wenn man mein Profil für einen gewissen Zeitraum in den Gedenkzustand versetzt und damit einen Ort für gemeinsame Erinnerungen schafft. Facebook statt Grabstein. Ein verrückter und doch nicht ganz abwegiger Gedanke. Digitalisierung next Level.
Google hat seinen Nutzern mit dem Kontoinaktivitäts-Manager ein ähnliches Nachlass-Gadget gebaut. Hier kann einzeln angegeben werden, wer im Falle eines Falles meine Mails bekommen soll, wer meine Dokumente in der Cloud oder die Verantwortung für meinen YouTube-Channel. Eine testamentarische Funktion die die Privatsphäre auch weit über den Tod hinaus sicherstellt.
Eure Daten in der Cloud… wem gehören diese Daten, wenn ihr nicht mehr seid? Was passiert mit den 10 GB Erinnerungen in Bildern, die ihr dort gespeichert habt? Ich sag´s mal so: nachdem euer Ableben angezeigt wurde, werden die Daten gelöscht. Also vorsicht! Das lässt sich mit jener zauberhaften Zugangs-Daten-Liste umgehen. Damit gebt ihr euren Erben die Möglichkeit, die Daten vorher zu sichern.
Auf der Suche nach nahen Angehörigen
Denkt auch an die Endgeräte! Immer mehr Sicherheit durch das Sperren von Bildschirmen am Smartphone. Klasse Sache… bis man dieses Smartphone benötigt, um im Telefonbuch Angehörige ausfindig zu machen. Ein Hoch auf die Sicherheit. Wo nehmen wir wichtige Telefonnummern her, wenn wir das Smartphone nicht entsperrt bekommen? Unabhängig vom Todesfall finde ich das übrigens auch bei Unfällen eine gute Frage. Was tun, wenn vor uns jemand mit dem Auto verunfallt? Was machen Ärzte, die Angehörige informieren müssen, dass ihr Patient im Koma liegt? Was machen Polizisten, wenn sich die Identität eines Unfallopfers nicht feststellen lässt? Im Telefonbuch einfach „Mama“ suchen und die gespeicherte Nummer anrufen, geht ja nicht!? Aber gut. Das wird wohl nochmal ein anderer Beitrag.
Seid gut zu euren Erben!
Die Liste der Dinge, an die gedacht werden muss, ließe sich endlos fortführen. Digitalisierung macht einem das Leben als Erbe wirklich nicht unbedingt leicht. Macht es euren Erben also nicht komplizierter als nötig und gebt ihnen die Möglichkeit, die Trauer nicht unnötig durch Organisatorisches zu erschweren.
Liebe Leser, jetzt mal Hand auf´s Herz! Wer hat seinen Nachlass geregelt? Und wer von euch hat hierbei auch an sein digitales Erbe -und DIE LISTE- gedacht?