Liebe, Luft und WLAN

Liebe Leser, was war das denn bitte für eine aufregende Woche!? Für alle unter euch, die nicht wissen, wovon ich rede: Letztes Wochende haben es ambitionierte Hacker tatsächlich geschafft, rund 900.000 Router lahmzulegen! Schlecht für alle Telekom-Kunden, gut für mich. Das Thema für diese Woche war quasi schon am Dienstag gefunden. Wer sich jetzt aber vor einem weiteren Bericht über die Bedrohung durch Hacker fürchtet, und in diesem Moment darüber nachdenkt, den Beitrag wieder wegzuklicken... TU´S NICHT! Ich denke, wir haben in den letzten Tagen ausreichend detailierte Berichte zu digitalen Angriffen in allen möglichen Medien gefunden. Dies hier wird kein weiteres Exemplar werden. Versprochen!

Wir sind multimedial.

Während ich am Sonntagabend den Fernseher einschaltete, um durch das Programm zu zappen, freute ich mich darüber, nicht auch vom Ausfall betroffen zu sein. Mein Fernseher enttäuschte mich mit dem, was er mir zu bieten hatte. Aber das ist zum Glück nicht so schlimm. Es gibt immerhin noch Netflix & Co. Irgendwas findet man schließlich meistens. Ich entschied mich nach langem hin und her dann allerdings doch für ein neues Buch - auf dem Kindle. Und wie ich so auf meiner Couch saß und den Download des neuen Buchs abwartet, während hinter mir mein hauseigener Killer-Spiele-Spieler sein Killer-Spiel spielte und akustisch die Bomben durch die Lautsprecher unseres Dolby-Surround-Systems in unserem Wohnzimmer einschlugen, dachte ich an all die armen Seelen, die mit ihren Familien ganz ohne Internet zuhause sitzen. Was die wohl machen? Unterhalten die sich? Spielen die Gesellschaftsspiele? Ich stellte fest, die Angehörigen meines Haushalts wären in so einer Notsituation verloren... Denn wir sind multimedial. Wir zocken auf der Wii, auf der Playstation oder mit dem Handy. Bei uns liest keiner Zeitung im klassischen Sinne. Wir lesen alle neuen Informationen über Laptop oder Smartphone im Internet. Unser Fernseher funktioniert über das Internet. Wir hören Musik über das Internet. Und wir unterhalten uns mit Freunden über das Internet via WhatsApp, Skype und Messenger. Aus all diesen Beispielen springt uns die Abhängigkeit, welche wir inzwischen entwickelt haben, nahezu an.

Bis dass das WLAN uns trennt

"Echte Freunde erkennst du daran, dass sich dein Handy automatisch ins WLAN einwählt." Stimmt. Dafür braucht man ja ein Passwort. Passwörter sind Vertrauenssache. Vertrauen wir unseren Freunden, und haben sie häufig zu Besuch, bekommen sie unser WLAN-Passwort. Die Kenntnis oder Unkenntnis über das WLAN-Passwort sagt inzwischen viel über die zwischenmenschliche Beziehung aus. Vielen Paare schenkten sich früher Schmuck oder Schlüsselanhänger, um ihre Liebe zu symbolisieren. Heute hingegen ist nicht selten das WLAN-Passwort der Schlüssel zum Glück. Die Bekanntgabe gibt uns ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen. Es ist gleichbedeutend mit "Ich mag dich persepktivisch langfristig". Erst kürzlich erlebte ich einen denkwürdigen Moment. Ich lief am Haus einer längst vergangenen Freundin vorbei, als mein Telefon klingelte. Beim Entsperren des Displays, entdeckte ich durch Zufall in der Ecke der Anzeige das WLAN-Symbol. Mir schoss ein Gedanke in den Kopf, der mich gleichzeit dankbar wie traurig stimmte: Da bin ich wieder... Unbeabsichtigt. Zurück in deinem Netz und doch nicht zurück in deinem Leben. Unser Verhältnis zueinander hat sich im Laufe der Jahre verändert, dein Passwort jedoch nicht. Was verrückt klingt, ist traurige Ralität. Dein WLAN hat unsere Freundschaft überdauert. Ich bin mir sicher, es gibt viele Fälle, wie unseren. Von gescheiterten Beziehungen, zu gescheiterten Existenzen, bis hin zu ausrangierter Technik. Das letzte Band des "Wir" trennt die Passwortänderung.

Plötzlich wieder ohne...

Man stelle sich mal vor, das Internet, was wir lieben und ehren, wäre morgen nicht mehr da. Ganz plötzlich und überraschend wäre es weg. Nicht wie bei den 900.000 Telekom-Kunden, die vielleicht noch auf ihr Smartphone ausweichen konnten, sondern so richtig. Meine Tochter sagte mal zu mir: "Mama, ich glaube, ich hab das Internet kaputt gemacht..." Das war natürlich Quatsch. Ich hatte nur eine Kindersicherung aktiviert. Stellen wir uns vor, es wäre kein Quatsch gewesen und sie hätte das wirklich getan. Die Folgen kämen einer globalen Katastrophe gleich. Nicht nur, dass Zuhause viele unserer Geräte ihren Dienst nicht mehr verrichten könnten, auch auf den beruflichen Bereich hätte dieser Umstand unfassbare Auswirkungen. Keine E-Mails, keine Schnittstellen, keine Datenübertragungen. Je nach Branche und Betrieb wären die Konsequenzen natürlich unterschiedlich stark ausgeprägt. Der Buchladen um die Ecke müsste seine Waren wieder telefonisch oder per Post bestellen. Das dauert zwar länger, aber man könnte damit leben. Die Produktionsbetriebe träfe es da schon etwas härter. Vernetzte Produktion und Just-in-Time sind hier die Schlagworte. Für Online-Shops gingen die Lichter sogar gleich ganz aus. In einer Welt ohne Internet würden wir zwar nicht zurück in die Steinzeit katapultiert werden, aber es träfe uns doch ziemlich empfindlich.

Lerne zu Verzichten

Ein Hacker-Angriff kann katastrophale Folgen haben. Ich könnte mir vorstellen, dass der Angriff vom letzten Wochenende, einige Beziehungen in Frage gestellt hat. Schon komisch, wenn man sich plötzlich miteinander unterhalten oder beschäftigen muss. Eine Welt ohne Internet kann uns zwischenmenschlich weit voneinander entfernen und doch auch wieder nahe zusammenbringen. Internet macht es einfacher, Kontakte zu pflegen und andere auf dem Laufenden zu halten. Gleichzeitig entfernt es uns voneinander, indem es die Notwendigkeit verhindert, sich zu besuchen. Trauriger Alltag ist, dass viele sich nicht mehr viel zu sagen haben oder gar die Fähigkeit verloren gegangen ist, ohne Emojis Emotionen zu zeigen. Auch die Fähigkeit geistreich und sinnvoll zu diskutieren, von mir aus auch einfach miteinander zu blödeln, bleibt auf der Strecke. Wir haben gelernt, das Internet und alle seine Möglichkeiten jederzeit zu Nutzen. Vielleicht sollten wir jetzt lernen, einfach mal darauf verzichten zu können. Nehmt euch die Zeit und kommt  zum Quatschen vorbei. Schaltet vorher euer Telefon lautlos. Nur du und deine Freunde. Du und deine Familie. Du und ich. Von Angesicht zu Angesicht und ganz ohne Internet. Wenn wir jetzt lernen, ohne Internet zu überleben, sind wir vor dem nächsten Angriff wenigstens für den Privatbereich gewappnet.

Ein denkwürdiges Schlusswort.

Das war wieder ziemlich viel Text zu Liebe und zwischenmenschlichen Beziehungen in der digitalen Welt für einen Freitag. Im Endeffekt wollte ich mit diesem Beitrag allen nur einen einzigen Rat näher bringen: Nutzt das Internet nicht so viel wie möglich sondern nur so viel wie nötig. Ihr könntet sonst das reale Leben verpassen.
Wem noch der Bezug zur Luft fehlt, der bekommt jetzt seinen Abschluss: Würden Bäume Internet produzieren, gäbe es wahrscheinlich viel weniger Abholzung. Aber sie produzieren ja leider nur Sauerstoff.

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